Anobisität vom Mai, 2010

Möglichkeit einer „imperativfreien Ethik“ oder eines „ethikfreien Indikativs“ Teil 1

01.05.2010

Eine imperativfreie (sollfreie Vorschriften) und eine indikativische Ethik (dem Ist-Bestand gerecht werdende) sind sprachliche wie sachliche Widersprüche. Die Möglichkeit einer imperativfreien Ethik setzt einen ethikfreien Indikativ voraus. Dieser ethikfreie Indikativ setzt sich aus Verhaltens-, Erlebens- und Reaktionsweisen zusammen resultierend aus den 5 vorausgesetzten Instrumenten und den noch zu beschreibenden 5 Vorgängen.

Im Zuge einer säkularen Globalisierung vollzieht sich der ethikfreie Indikativ außerhalb religiös bzw. ideologisch begründeter Ethikentwürfe. Die ethischen Entwürfe, die durch einen Imperativ einen Ist-Zustand oder durch einen Indikativ einen Imperativ motivieren wollen bzw. Indikativ und Imperativ dialektisch sehen wollen, können als vergangene betrachtet werden. Selbst eine göttliche Instanz als Gesetzgeber scheidet damit aus.

Der Ausgangspunkt unseres Entwurfs bilden die 5 Instrumente Anobisität, Universalien, Kairos-Skala, Intentionalitätseinheit und die Immanente Dialektik.

Außer den Universalien finden wir die 4 anderen Instrumente in der Welt vor dem Eintritt des Menschen in die Evolution. Diese Welt nenne ich die „ante-Welt“ („Vor-Welt“). Mit dem Eintritt des Menschen in die Evolution werden die Universalien eingeschlossen. Nach dieser „ante-Welt“ können wir jetzt zwei andere Welten unterscheiden: Die Welt vor dem Eintritt des Menschen in die Evolution bis zur Gegenwart nenne ich sie die „dato“ („Jetzt-„) und die zukünftige die „post-Welt“ („Nach-Welt“). Der Vorschlag des ethikfreien Indikativs will die Gegenwart aber auch die Zukunft von religiös bzw. ideologisch motiviertem Verhalten freihalten.

Ich möchte aber mit der „ante-Welt“ beginnen, in der außer den Universalien die 4 weiteren Instrumente beobachtet, während zusätzlich die Universalien in der „dato-“ und anvisierten „post-Welt“ festgestellt werden können.

Die 4 bzw. 5 Instrumente sind in den 5 folgenden Vorgängen auffindbar: 1. Evolution, 2. zivilisatorisch-kulturelle Entwicklung, 3. Entwicklung zum Begriff der Liebe, unterteilt in sechs Schichten, 4. ambivalenter Gefühlsbereich oder das Urbewusstsein, 5. Globalisierung.

Die Deckungsgleichheit der 5 Instrumente und der 5 Vorgänge ist nur bei dem Menschen vorhanden. Der Mensch ist der Zentralpunkt dieses Konzepts, auch wenn er seine Mächtigkeit in dieser Welt mit der an- und organischen Natur teilen muss.

Zwei Hauptpunkte können sowohl in diesen 5 Instrumenten als auch in den 5 Vorgängen herausgestellt werden: 1. die Ambivalenz, 2. die Stoßrichtung der Entwicklungen.

Die Ambivalenz mit ihrer Doppelpoligkeit in De- und Konstruktion ist widersprüchlich aber auch teilungsfrei. Jedoch können ihre widersprüchlichen Teile sich gegenseitig überlagern und sich damit schwerpunktmäßig äußern. Einerseits können die schwerpunktmäßigen Äußerungen bezüglich ihrer Destruktion zum Problem und Schicksal aller Beteiligten werden, andererseits aber vermögen sie, in ihrer konstruktiven Stoßrichtung weitere Entwicklungen zu bilden.

Antwortgarantie auf Ihr Votum: E-Mail: hans-georg.fellecke@freenet.de

Möglichkeit einer „imperativfreien Ethik“ oder eines „ethikfreien Indikativs“ Teil 2

01.05.2010

Nun zu den o. g. 5 Vorgängen:

ad 1. Die Evolution hat stets sowohl quantitativ als auch qualitativ Neues hervorgebracht, jedoch auch einiges davon im Laufe der Jahrmillionen wieder eliminiert. Während im Vergleich zu der Geschichte des Menschen konnte sich Lebenskräftiges im Laufe dieser extrem langen Zeitspanne in der an- wie in der organischen Natur durchsetzen; dazu gehört als vorläufiger Endpunkt der homo sapiens sapiens (HSS). Als Gegenbeispiel fehlte offenbar dem Neandertaler die lebenskräfte Gestaltungskraft; diese war ihm nur zeitbedingt mitgegeben.

Wenn er heutige Mensch als das (vorläufige) Ziel der Evolution genommen werden kann, dann hat sich ein Wesen durchsetzen und entwickeln können, das sich im Vergleich zu anderen organischen Naturerscheinungen derzeit weithin von ihr emanzipiert hat und sich demnächst wohl noch stärker verselbstständigen wird. Aber dieses Wesen ist nur fragmentarisch von ihr entlassen worden und verbleibt zunächst weitgehend mit diesem gegenwärtigen Stand der Evolution verbunden. Diese vorläufige Endentwicklung des Menschen hat sich durch dessen Können und Mächtigkeit gegenüber der an- und organischen Natur als relativ stark durchsetzungsfähig erwiesen, aber in der Durchführung der totalen Destruktion sich bis jetzt zurückgehalten. Dieses gilt auch für eine totale Konstruktion, z. B. im Sinne eines Reiches Gottes auf Erden und eines kommunistischen Weltreiches.

Die Evolution und der relativ eigenständige Mensch zeigen anobische Strukturen, erweisen sich gemäß der Intentionalitätseinheit und befinden sich im Prozess der Immanenten Dialektik. Wie praktiziert der denkende und sich kontrollieren könnende Mensch diese formbildende Stoßkraft der Lebenserhaltung und gar der Lebensförderung?

ad 2. Auch die zivilisatorisch-kulturelle Entwicklung sowohl mit ihren sozialen Systemaufbauten des Schutzes und der Existenzförderung als auch mit ihren kriegerischen Aktionen, Genoziden, Massenvernichtungsmitteln, Umweltzerstörungen, dass die an- und organische Natur samt des Menschen sich einer Perspektive erfreuen kann, aber sich auch in dem Warteraum des „universalen Selbstmords“ (P. Tillich) vorfindet. Dennoch vollzieht sich die Erhaltung einigermaßen ausgleichend weiter.

Wenn der Imperativ mit der Entstehung der Sprache zusammenfallen sollte – wovon auszugehen ist – dann gestaltet der Mensch sein Sozial- und Umweltgefüge mit Anweisungen, die etwa 2 Millionen Jahre praktiziert werden. Ältester Nachweis, die Integrität aller Menschen zu beachten und deren positive Qualität zu fördern, ist mit Laotse 2.600 Jahre alt. Das sind 0,13 % der sprachlich-imperativischen Gesamtzeit. 99,87 % der imperativischen Erfahrungszeit befinden sich auf dem Niveau vor dem Codex Hammurabi. (Bei einem Beginn der Sprachentwicklung von vor 3 Millionen Jahren sind es nur 0,087 % Erfahrungszeit.) Wir haben verbal-imperativisch es mit einer zeitlich extrem langen Erfahrung zu tun, für die selbst ein Nachweis der Anweisung der Integrität aller Menschen fehlt.

Dennoch hat der Mensch in Wort und teilweise in Praxis zu diesen beiden Imperativen, der Integrität und Förderung des Positiven, selbstständig gefunden. Hier wird seine gestaltformende Energie sichtbar. Er konnte über seine evolutionäre Vorfindbarkeit hinaus sich selbst differenziert entwerfen. Aber es war nur eine Soll-Vorschrift.

Antwortgarantie auf Ihr Votum: E-Mail: hans-georg.fellecke@freenet.de

Möglichkeit einer „imperativfreien Ethik“ oder eines „ethikfreien Indikativs“ Teil 3

01.05.2010

ad 3. Zu diesem Teilthema Begriff und Entwicklung der Liebe können 6 Schichten unterschieden werden:

a. Ich gehe zunächst von der zweiten Schicht aus. Der Codex Hammurabi (1792-1750; 1728-1686 ante) geht  auch von gleichgeordneten gegenseitigen körperlichen Verletzungen und wirtschaftlichen Einschnitten aus. Allerdings  beziehen sich diese gewissen „Ausgleiche“ a. nur innerhalb derselben sozialen Schicht und b. nur in bestimmten juristischen Fällen (körperlich : §§ 196 Auge um Auge, 197 Knochen um Knochen, 200 Zahn um Zahn; ökonomisch: §§ 245 Rind um Rind, 263 Schaf um Schaf) im Gegensatz zu den gleichen Konflikten zwischen zwei Angehörigen verschiedener Sozialschichten (körperlich: §§ 198, 201, 202, 205, 207; wirtschaftlich: §265). Dennoch kann von einer gewissen Tendenz zur Humanisierung gesprochen werden. Das Alte Testament hat die Gesetze des „Ausgleichs“ „Auge um Auge – Zahn um Zahn“ übernommen. Auch dieses Gesetzeswerk ist sozialgruppenbestimmt.

b. Diese neue schriftlich fixierte Reglementierung im Codex Hammurabi war ein juristischer „Sprung“, auch wenn die entsprechende Rechtspraxis dahinter zurückgeblieben ist. Wir können jedoch von diesen gewissen „Ausgleichen“ zurückschließen, dass folgende Praxis zuvor stand: ein Auge gegen zwei Augen, ein Zahn gegen das gesamte Gebiss. Gewisse Hinweise mutatis mutandis gibt es auch in dem „Rechtsbuch“. (mehr …)

Möglichkeit einer „imperativfreien Ethik“ oder eines „ethikfreien Indikativs“ Teil 4

01.05.2010

ad 5. Im Zuge der Globalisierung schieben sich die verschiedenen zivilisatorisch-kulturellen Entwicklungen ineinander. Historisch gesehen ist dieser Prozess von Beginn der „dato-Welt“ vorhanden, nur zur Zeit wird er im großen Stil vollzogen. Auch hier können die 5 Instrumente mit ihren Endpolen De- und Konstruktion und damit die Ambivalenz beobachtet werden. Wir sind Zeitzeugen von zivilisatorisch-kulturellen Zusammenbrüchen sowie deren Anstrengungen der Neu- bzw. Wiederorientierungen (s. bestimmte Gruppen im Islam). – Es sieht so aus, dass für diese Umbrüche vielleicht ein Gesetz sowohl für eine De- als auch für eine Konstruktion formuliert werden kann. Das jeweilige Ergebnis bleibt offen. Jedenfalls, was sich als lebensfähig erweist, unterliegt weiterführender Konstruktion. Was sich außerhalb der Lebensfähigkeit erweist, unterliegt der Selbst- oder Fremddestruktion. Die Ent-/d-scheidung bildet der vorletzte Punkt einer sich zu diesem Punkt hin drehenden Spirale.

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