Anobisität vom November, 2014

Das Dilemma der Jesus – Forschung – Teil 1

01.11.2014

Vorbemerkung:

Der Begriff Dilemma in der Überschrift ist richtig, wenn die beiden unten stehenden Punkte vereinzelnd bzw. sogar gegeneinander ausgespielt werden. Dieser Terminus ist zunächst falsch, wenn beide genannten Punkte eine Einheit bilden. Das Wort Dilemma geht auf das griechische Verb lambanno zurück, das eine breite Übersetzungsmöglichkeit bietet: nehmen, ergreifen, begreifen, erkennen, geistig erfassen. Ich erweitere die Bedeutung des Wortes zu theologisch erfassen. Mit dieser Übersetzung stimmt dann das Wort Dilemma für die Einheitlichkeit beider unten genannten Punkte.

Zum Thema an sich:

Das Dilemma der Jesus–Forschung ist ein permanent Notwendiges.

Zwei Voraussetzungen sind jedoch dringend erforderlich und zu beachten:

1. die Göttlichkeit Gottes in Jesus und

2. die Filterung des jesuanischen Operationsfeldes Gottes von

a. dem gesuchten Gesamtbild des historischen Jesus und

b. den Gemeindebildungen.

ad 1. Die Göttlichkeit Gottes in Jesus hebt sich durch dessen Nachweise auf. Nachweise sind Kriterien menschlichen Denkens und Handelns. Die Erforschung der Person bzw. der Persönlichkeit Jesu hinge stets von den Massstäben des aktuellen Denkhorizonts der Menschen ab; die Menschen würden sich die Göttlichkeit Gottes in Jesus unterordnen. Eine Qualifizierung Jesu zu seiner Göttlichkeit wäre qualitativ–theologisch ausgeschlossen geblieben. – Es hätte nur ein Götterbild ergeben können, das im Verlauf der Jahrhunderte zu einem Götzenbild herabzusinken bedroht worden wäre.

ad 2. Diese Filterungen, die die historisch–kritische Exegese dankenswerterweise minutiös leistet, sind Nachweise für die konsequente theologische Arbeit im Sinne des 1. Punktes aller neutestamentlichen Mitarbeiter von der mündlichen Tradition bis zur schriftlichen Fixierung; ja bis in die aktuelle Gegenwart.

Es ist wichtig, die Reihenfolge dieser beiden Punkte einzuhalten. Damit sind die Theologen – auch die scharf historisch–kritisch denkenden und arbeitenden – stets auf der Höhe der mündlichen Tradierer und schriftlich arbeitenden Autoren des Neuen Testaments.

Die 300–jährige Arbeit der Jesus–Forschung seit Beginn des englischen Deismus, über REIMARUS (von LESSING 1778 veröffentlicht) bis in die aktuelle Gegenwart hätte sich die Nachzeichnung der Persönlichkeit Jesu erübrigen können, wenn die o.g. Reihenfolge eingehalten worden wäre. Prinzipiell sind z.B. R. BULTMANN und P. TILLICH auf der Linie des Neuen Testaments.

Die historisch–kritische Forschung nach der geschichtlich dingfestmachenden Person Jesu war eigentlich längst vor dem (gierigen) Forschungsdrang, nämlich schon vor und während der Entstehung der Schriften des Neuen Testaments erledigt. Damit liegt das Neue Testament bezüglich des Operationsfeldes Gottes in der Tradition des Alten Testaments, in dem das geschichtswirkende Handeln Gottes, auch in der Verborgenheit, jedoch frei von Schilderungen der Person Gottes, berichtet wird. Neben dem deus absconditus wird exklusiv dieser Tatbestand in dem alttestamentlichen Bilderverbot ausgedrückt. Auch die Vermeidung, seinen Namen auszusprechen, gehört zu diesem theologischen Grundsatz. Eine religionsgeschichtliche Formel heisst: Genannt = gebannt.

Zu den beiden Begriffen „Göttlichkeit Gottes“ und „Operationsfeld Gottes“ siehe Text NEUBESTIMMUNG DES NEUTESTAMENTLICHEN KANONS)

Das Dilemma der Jesus – Forschung – Teil 2

01.11.2014

Damit haben die neutestamentlichen Verfasser die Göttlichkeit Gottes auf Jesus konsequent im Sinne der alttestamentlichen Tradition übertragen. Die Göttlichkeit Gottes in Jahwe und die Göttlichkeit Gottes in Jesus sind in gewisser Weise austauschbar, jedoch gleichsetzungsfrei. Die Göttlichkeit Gottes in Jesus ist dann das letzte Offenbarwerden Gottes, nämlich am Kreuz – und im leeren Grab (sic!).

Die notwendige detaillierte exegetische Herausarbeitung der Aussagen und Taten Jesu und die in seinem Sinne hergestellten Gemeindebildungen mit den verschiedenen Hoheitstiteln verdeutlichen eine getreue Sequenz des jesuanischen Operationsfeldes Gottes.

Die neutestamentlichen Tendenzschriften wie mögliche Fremdquellen bleiben den neugierigen Historikern die Schilderung der Person Jesu schuldig. Und das ist adäquat! Auch wenn eine Quelle auffindbar wäre, würde die Göttlichkeit Gottes in Jesus in einen vermenschlichten Gott, wie die griechisch–römische Antike ihre Götter dargestellt hat, erfassen. Das wäre sowohl für die christliche Theologie als auch für unseren Kulturkreis ein fataler Rückfall in die vorchristliche Zeit.

Die im Operationsfeld Gottes Stehenden sehen die Göttlichkeit Gottes in Jesus (Punkt 1). Daraus resultiert die historisch–kritische Filterung der Entwicklung der konsequenten Bekenntnisse von Beginn bis zur Gegenwart.

Somit stehen alle im Operationsfeld in einer unterscheidbarfreien Reihe der Gläubigen–Sequenz seit der apostolischen Zeit. Als „Nachweise“ können nur die entsprechenden verbalen Äusserungen und Existenzvollzüge der Gläubigen gelten. Damit ist der Kreis von Beginn an bis heute geschlossen und für die Zukunft weiterhin offen.

Ergebnis für die Anobisität:

Die ehemals gewünschten und geforderten Nachweise der Person Jesu bleiben definitiv aus. Für die Verkündigung reichen die Daten bezüglich der Worte und Taten Jesu voll aus.                  

Methodisch:

Die vorhandenen Quantitäten der Daten entsprechen der Qualität der Göttlichkeit Gottes in Jesus, diese wiederum bedarf nur der vorhandenen angemessenen Anzahl der Quantitäten. Hier liegt also die Identität historischer Jesus gleich Göttlichkeit Gottes in Jesus vor. Unsere Formel Quantität = Qualität, Qualität = Quantität gilt als erfüllt.
(siehe Text QUANTITÄT = QUALITÄT BZW. QUALITÄT = QUANTITÄT)

Inhaltlich hinsichtlich der Intentionalitätseinheit:

Der Spannungsbogen Göttlichkeit Gottes in Jesus – Mensch per Geburt, Existenzvollzug und Tod – ist absolut extrem ausgebildet. Hier liegen die Kairosstufen 1 bis 6 vor. Diese beiden Extremstufen auf eine Person – sachlich auf einen Punkt gebracht – bilden eine Ambivalenz mit einer absoluten Endentwicklung.

Für die Immanente Dialektik:

Die neutestamentliche Entwicklung bezüglich unseres Themas hat eine nachhaltige Theologie über fast 2000 Jahre einleiten können, die allen wissenschaftlichen Bemühungen der letzten 300 Jahre stand halten konnte. Auf der Stufe c. der Immanenten Dialektik war jene Entscheidung von Beginn bis heute stabil.

Nachwort

1. Der römische Katholizismus lässt die historisch–kritische Exegese im Rahmen als Unterstützung bzw. als Beweise seiner Dogmen–Sequenz zu.

2. Die historisch–kritische Exegese überprüft, ob die theologischen Aussagen des Alten und Neuen Testaments konsequent ihre theologischen Intentionen eingehalten bzw. qualifiziert haben. Die Anobisität mit den anderen 4 Instrumenten unterstützt die historisch–kritische Exegese. (siehe auch den Text AUFERSTEHUNG – DER HALBE WEG ODER GAR EINE SACKGASSE?)