Anobisität vom Juli, 2015

Inhalt und Methode – Teil 1

01.07.2015

In dem Text GEDANKEN ZU EINER MÖGLICHEN „ZWEITEN KEHRE“ HEIDEGGERS (6. Abschnitt) heisst es: „Die Anobisität selbst ist anobisch (sic!).“

Was heisst das? Die Anobisität als substantieller Inhalt ist auch gleich Methode, die sich sowohl in der Kairos – Skala, der Intentionalitätseinheit als auch in der Immanenten Dialektik ausdifferenziert. Die Texte der Textsequenz I bieten direkt wie indirekt den substantiellen anobischen Inhalt mit seinem eigenen Methodenapparat dar.
Wieweit kann damit die Arbeit am Sein erhellt werden? Gilt die Wesenseinheit Inhalt gleich Methode bzw. Methode gleich Inhalt schon als Ausweis, auf dem Wege zur Verifizierung des Seins zu sein? Augenscheinlich und nachweislich wie unsere Welt und der Kosmos strukturiert sind, könnte davon ausgegangen werden. Allerdings fehlt das entsprechende verifizierte kosmologische Objekt aus der Zeit vor dem Urknall bzw. die übrig gebliebene Materie aus dem „Kampf“ Materie versus Antimaterie.

Den Terminus Wesenseinheit entnehme ich den christologischen bzw. den trinitarischen Diskussionen und Konzilsbeschlüssen der ersten Jahrhunderte. Die drei Personen der Trinität Vater, Sohn und Heiliger Geist bilden eine Wesenseinheit in verschiedenen Funktionen. Tillich drückte die Wesenseinheit als „von gleicher Macht des Seins“ aus. Ich übernehme seine Entsprechung und setze sie mit Vorsicht für die anobische Thematik ein.
Die einzelnen anobischen Objekte und Vorgänge besitzen in ihren Potenzialen gegenseitig latente Ausrichtungs- und Ansaugfähigkeiten, die sich in ihren gemeinsamen Ergebnissen manifestieren. Das heisst, ein Hin- und Herschliessen von und auf Potenzialen und deren Ausführungen ist treffsicher möglich. Damit ist die Wesenseinheit absolut geschlossen. Diese Macht des Seins vollzieht sich in der Allgegenwärtigkeit der Anobisität. Diese Allgegenwärtigkeit umfasst alle kleinen und grossen Elemente und Vorgänge inner- und ausserhalb des Sichtbaren. Somit bildet die Anobisität den Anfangs- und Endpunkt.
Die Vorsicht der terminologischen Übernahme von Tillich deutet auf die ausstehend abschliessende Verifikation der Anobisität als das Sein hin.

NIKOLAUS VON KUES operierte mit dem Begriffspaar „complicatio – explicatio“. Er nahm seiner religiösen und philosophischen Überzeugung gemäss an, Gott in seinem planvollen Schöpfungshandeln bezüglich der mathematischen Prinzipien erkennen zu können. In Gott selbst ist das, was in der Schöpfung ausgestaltet ist, zusammengeballt vorhanden. Formal bildet der Gedanke des Cusanus eine weitere gute Grundlage für die Erkenntnis der Anobisität als Inhalt und Methode.
Nikolaus Cusanus methodischer Ansatz der mathematischen Prinzipien entsprang der altgriechischen Harmonielehre des Kosmos. Dagegen stellt sich unsere Welt heute extrem disparat dar, was die Anobisität mit ihren genannten Methodenaspekten Rechnung tragen will. Diese Disparität steht im Gegensatz zu der coincidentia oppositorum, in der die Gegensätze aufgehoben sind.
Die Anobisität befindet sich in der Lage, auch Gegensätze vom Seinsgrund an zu erfassen. Besonders deutlich können auf der Kairos – Stufe 1 die Gegensätze festgestellt werden. Ausserdem setzt der Cusanus eine theistische Konstruktion voraus. Das Angebot der Anobisität jedoch ist rein säkularer Natur, allerdings noch in der Erwartung der Verifizierung.

Inhalt und Methode – Teil 2

01.07.2015

Auch eine Stufenform vom Niederen zum Höheren wie bei SCHELLING bleibt ausgeschlossen. Die Anobisität an sich findet sich auf allen Kairos-Stufen in gleicher Weise wieder.

Für ein erweitertes Spektrum der evolutionären Erkenntnistheorie schlage ich den Einsatz der säkularen Mystik vor. Diese Transemperie verbleibt innerhalb der Immanenz. Die Natur- und evolutionären Sozialwissenschaften entgehen durch diese Methode der traditionellen Metaphysik. Die säkulare Mystik erkennt einerseits richtungsweisende Fragen, die empirisch verfolgt werden können, andererseits vermag sie, Standpunkte zu formulieren, die die empirischen Wissenschaften verifizieren bzw. falsifizieren können. Die Anobisität ist ein Produkt der säkularen Mystik; sie hat die Gegenseitigkeit der Ausgerichtetheit und Ansaugfähigkeit der Objekte klar erkannt. In der Evolution wurde zunächst von Anpassung geredet, was eine Vereinseitigung des evolutionären Gedanken war. Während heute z.B. in der Botanik eher der anobische Gedanke zum Tragen kommt. Bezüglich der weltweiten Ausbreitung der Flora auf dem Festland konnte eine cyanobakterielle Bodenschicht auf den Urkontinenten das entsprechende anobische Angebot bereithalten.

Ich möchte auf einige Mystiker vom Mittelalter bis zum Anfang der Neuzeit hinweisen, um deren Vorarbeit zur säkularen Mystik zu kennzeichnen. In den Entwürfen folgender Mystiker sehe ich eine gerade Entwicklung bis zur säkularen Mystik.

Bei MEISTER ECKEHART gehe ich von einer gewissen Trennung Gott – Kreatur aus, obwohl in beiden das Sein vorhanden ist. In dem Geschöpf ist Gott unmittelbar gegenwärtig. Allerdings bleibt das Aufgehen in Gott aus; der Mensch befindet sich in einer Abhängigkeit. Die gemeinsame Basis bildet die Menschenseele. (In dieser „Minibesprechung“ habe ich den Unterschied Gottheit und Gott bei Meister Eckehart der Einfachheit halber beiseitegelassen.)
Meister Eckehart postuliert zwei Pole, ein Oben und ein Unten, die jedoch eine Einheit bilden. Inhalt und Methode rangieren auf der Kairos-Skala der Stufe 2. Hinsichtlich unseres Generalthemas Inhalt und Methode zeigt die Intentionalitätseinheit jedoch einen gewissen Spannungsbogen, der in der deutlichen Unterscheidung von Gott und Geschöpf sichtbar wird.
In der Anobisität leben alle und alles von und in einem und demselben Prinzip; es ist die Bestandsbasis aller Teile inner- und ausserhalb des Sichtbaren. Trotz der sechs Kairos-Stufen steht der Spannungsbogen der Intentionalitätseinheit von Inhalt und Methode auf null.

GIORDANO BRUNO geht einen Schritt weiter. Er sieht in Allem beseelte Kräfte. Gott ist in der Welt und in ihren Teilen. Dieses einzige Prinzip beherrscht und bewegt den gesamten Kosmos. Diesen hat Giordano Bruno weiter als Kopernikus ihn gefasst transempirisch gesehen. Diese Transemperie wurde später astrophysikalisch bestätigt. Bei ihm bilden Gott und Welt eine pantheistische Einheit, die dann SPINOZA in sein philosophisches System aufnehmen konnte. Ausserdem sieht Bruno von Cusanus ausgehend Gott als den Inbegriff der Gegensätze, den Jakob Böhme in der Besprechung der Theodizee weiterverarbeitet hat. Bruno hat Gott und Welt zusammengedacht, jedoch wird der Terminus Gott noch benötigt. Nur in Gott heben sich die Gegensätze auf. Offenbar bleibt der Mensch davon ausgeschlossen. Giordano Brunos Vorschlag befindet sich hinsichtlich der Kairos-Skala auf den Stufen 3 bis 4. Bei Bruno verringert sich im Vergleich zu Meister Eckehart für unser Thema Inhalt und Methode der Spannungsbogen auf der Intentionalitätseinheit deutlich.

Inhalt und Methode – Teil 3

01.07.2015

Der Begriff Anobisität ist rein sachlich und damit säkular. Ausserdem tritt die Anobisiät in allen Teilen inner- und ausserhalb des Sichtbaren auf, d.h. auch in psychischen, sozialen, ökonomischen, wissenschaftlichen und anderen Bereichen. Gott als mystisch – philosophisch – theologischer Terminus ist ein Teil des anobischen Denkens; eine Umdrehung zu Meister Eckehart.

JAKOB BÖHME bleibt bei dem Begriff Gott; Gott wirkt in allem auch im Menschen. Diese göttliche Instanz ist ambivalent im Bösen wie in der Liebe, im Zorn wie im Guten allgegenwärtig. Allerdings bildet sie in Gott eine latente Ambivalenz, die erst im Menschen eine manifeste Realität gewinnt. Der Mensch als selbsteigener Urstand kann in absoluter Freiheit selbst Entscheidungen fällen.
Jakob Böhme nimmt die Forschungen der modernen Psychologie in gewisser Weise vorweg. Jedoch sieht er die Latenz der Psyche in Gott, die Manifestation aber im Menschen. Weiter geht er einerseits hinsichtlich der Theodizee bei LEIBNIZ und andererseits bezüglich L. Feuerbachs Projektionsvorschlag konsequenter vor. Allerdings operiert er noch mit dem mystisch – philosophisch – theologischen Terminus Gott. Aber er schreibt dem Menschen für seine Entscheidungen eine absolute Freiheit zu, die aus der göttlichen Kraft kommt.
(s. Texte ZUR ERWEITERUNG DER FEUERBACHSCHEN PROJEKTION und THEODIZEE – WAS TUN?)
In der Anobisität spreche ich von dem Gestaltenen Gestalter, dessen Unterschied wenn auch anobisch bestimmte jedoch eine kosmologisch – evolutionäre , auch vom Gestalter kulturell – zivilisatorische Bedingtheit prägend mitbekommen hat. Der Gestaltene Gestalter kann selbst über Gut und Böse, Zorn und Liebe hinaus in völlig andere Bereiche hineinarbeiten und bestimmen. Inhalt und Methode sind bei Jakob Böhme auf der Stufe 5 bis 6 der Kairos – Skala einzuordnen. Der Spannungsbogen der Intentionalitätseinheit geht gegen null.
Jakob Böhme kommt der säkularen Mystik der Anobisität sehr nahe.

Zusammenfassend kann in der Entwicklung der ca. 300-jährigen mystischen Entwicklung von Meister Eckehart bis zu Jakob Böhme von einer anobischen Einheit gesprochen werden, die sich jedoch hinsichtlich des Themas dieses Textes Inhalt und Methode auf der Kairos-Skala von der Stufe 2 bis 5 bzw. 6 entwickelt hat. Ausserdem konnte die Instanz Gott bzw. Gottheit sich dem säkular-mystischen Begriff der Anobisität annähern. Bezüglich der Intentionalitätseinheit bleibt in dem Vorschlag Anobisität für das Thema Inhalt und Methode ein Spannungsbogen aus.

Die Anobisität hat die Struktur eines universalen allgegenwärtigen Netzwerkes, in dem die Objekte und Vorgänge mit ihren Potenzialen auf ein oder mehrere Gegenüber einander ausgerichtet und ansaugfähig sind. Inhalt und Methode sind wesenseins.

Welche Stellung nimmt der Gestaltene Gestalter innerhalb dieses Netzwerkes ein, wenn diese Neudefinition des Menschen bleiben soll? Er als der Gestalter vermag auf der Stufe 1 der Kairos-Skala, eigenständige Korrekturen, Selbstkritik und in Richtung der Stufen 4 bis 6 und in der Immanenten Dialektik auf Stufe c. einen Gegensatz zu einem ursprünglichen Plan gänzlich Neues, das selbst frei von dem Evolutionsplan des HSS ist, hervorzurufen und entsprechend zu konstruieren. Mit seiner Selbst- und Kritikfähigkeit, Eigen- wie Fremdkontrollmöglichkeit besitzt er eine exklusive Stellung innerhalb des anobisch Biologischen und Kulturell-Zivilisatorischen.

Inhalt und Methode – Teil 4

01.07.2015

Bezüglich des eben genannten Neuen verweise ich auf das Internet, das sich zu einer Parallelwelt sowohl neben der an- und organischen Natur als auch neben dem Gestaltenen Gestalter entwickeln könnte. Ich sehe zwei denkbare Versionen:
1. eine relative und
2. eine absolute.

ad 1. Hier wäre das Internet extrem schwer überschaubar, was trotz Löschung der Inhalte wieder hochgefahren werden könnte. Der Satz, dass „das Internet nichts vergisst“, hat hier mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Berechtigung. Der Gestaltene Gestalter als Schöpfer dieses Systems kann dann noch seine Kontrolle ausüben.

ad 2. Das Internet als ein absolut autonomes System würde einerseits ausserhalb der Kontrolle des Gestaltenen Gestalters und andererseits innerhalb seiner selbst in aller Freiheit eine Regulierung eigenständig bestimmen. Der Gestaltene Gestalter geriete in eine vom Internet abhängige Rolle.

Dieses technische System wäre aus sich selbst eigenständig und frei von einer humanen Selbstkontrolle wie sie beim Gestaltenen Gestalter auffindbar ist und könnte sich eine Selbsthilfe wie sie der Natur eigen sein kann versagen. Damit wäre das Internet dann eine parallele Weltmacht; die erste neben der Natur und dem Gestaltenen Gestalter.

Trotz administrativer Anordnung zur Löschung bestimmter Eingaben besteht weiterhin das Prinzip „das Internet vergisst nichts“. Die Möglichkeit eines absoluten Eigenlebens des Internets bleibt derzeit Zukunftsmusik. Ein souveränes System aus der Hand des Gestaltenen Gestalter kann vielleicht nur gedacht werden (siehe „Golem“).

Jedoch kann auch das Internet in beiden o.g. Versionen anobisch als Inhalt und Methode eingefangen werden. Die anderen Methodenaspekte wie Kairos – Skala, Intentionalitätseinheit und Immanente Dialektik sind einsetzbar. Der Gestaltene Gestalter fungiert weiterhin in Personalunion als Lehrling und Meister, anders als in Goethes „Zauberlehrling“.

Die letzten drei Abschnitte – wie schon einige Vortexte der Textsequenz I – weisen daraufhin, dass die Anobisität den Rahmen der herkömmlich verstandenen Pantheismusvarianten sprengt.

Die Anobisität lebt und agiert aus den Objekten und Vorgängen mit ihren methodenstrukturierten Leistungen; aus ihnen resultieren entweder ein neuer Vorgang oder ein neues Element. Die Struktur dieser Elemente und Vorgänge hat in Permanenz gegeneinander sowohl eine Ansaug- als auch eine Ausrichtungskraft. Diese Doppelstruktur ist die Anobisität. Nur aus ihr ist das Universum mit seinen Folgen entstanden. Ich gehe davon aus, dass diese Doppelstruktur in der hochgradigen Energiemenge vor dem Urknall vorhanden gewesen sein muss. (s. Text NOCH EINMAL: KAIROS UND CHRONOS)

Dieses Zusammenspiel, das auch Elemente und Vorgänge umfasst, die ausserhalb des genuin Natürlichen aber auch kultureller, zivilisatorischer, technischer und wissenschaftlicher Art sind, weist über den traditionellen Pantheismus hinaus.