Möglichkeit einer „imperativfreien Ethik“ oder eines „ethikfreien Indikativs“ Teil 2

Nun zu den o. g. 5 Vorgängen:

ad 1. Die Evolution hat stets sowohl quantitativ als auch qualitativ Neues hervorgebracht, jedoch auch einiges davon im Laufe der Jahrmillionen wieder eliminiert. Während im Vergleich zu der Geschichte des Menschen konnte sich Lebenskräftiges im Laufe dieser extrem langen Zeitspanne in der an- wie in der organischen Natur durchsetzen; dazu gehört als vorläufiger Endpunkt der homo sapiens sapiens (HSS). Als Gegenbeispiel fehlte offenbar dem Neandertaler die lebenskräfte Gestaltungskraft; diese war ihm nur zeitbedingt mitgegeben.

Wenn er heutige Mensch als das (vorläufige) Ziel der Evolution genommen werden kann, dann hat sich ein Wesen durchsetzen und entwickeln können, das sich im Vergleich zu anderen organischen Naturerscheinungen derzeit weithin von ihr emanzipiert hat und sich demnächst wohl noch stärker verselbstständigen wird. Aber dieses Wesen ist nur fragmentarisch von ihr entlassen worden und verbleibt zunächst weitgehend mit diesem gegenwärtigen Stand der Evolution verbunden. Diese vorläufige Endentwicklung des Menschen hat sich durch dessen Können und Mächtigkeit gegenüber der an- und organischen Natur als relativ stark durchsetzungsfähig erwiesen, aber in der Durchführung der totalen Destruktion sich bis jetzt zurückgehalten. Dieses gilt auch für eine totale Konstruktion, z. B. im Sinne eines Reiches Gottes auf Erden und eines kommunistischen Weltreiches.

Die Evolution und der relativ eigenständige Mensch zeigen anobische Strukturen, erweisen sich gemäß der Intentionalitätseinheit und befinden sich im Prozess der Immanenten Dialektik. Wie praktiziert der denkende und sich kontrollieren könnende Mensch diese formbildende Stoßkraft der Lebenserhaltung und gar der Lebensförderung?

ad 2. Auch die zivilisatorisch-kulturelle Entwicklung sowohl mit ihren sozialen Systemaufbauten des Schutzes und der Existenzförderung als auch mit ihren kriegerischen Aktionen, Genoziden, Massenvernichtungsmitteln, Umweltzerstörungen, dass die an- und organische Natur samt des Menschen sich einer Perspektive erfreuen kann, aber sich auch in dem Warteraum des „universalen Selbstmords“ (P. Tillich) vorfindet. Dennoch vollzieht sich die Erhaltung einigermaßen ausgleichend weiter.

Wenn der Imperativ mit der Entstehung der Sprache zusammenfallen sollte – wovon auszugehen ist – dann gestaltet der Mensch sein Sozial- und Umweltgefüge mit Anweisungen, die etwa 2 Millionen Jahre praktiziert werden. Ältester Nachweis, die Integrität aller Menschen zu beachten und deren positive Qualität zu fördern, ist mit Laotse 2.600 Jahre alt. Das sind 0,13 % der sprachlich-imperativischen Gesamtzeit. 99,87 % der imperativischen Erfahrungszeit befinden sich auf dem Niveau vor dem Codex Hammurabi. (Bei einem Beginn der Sprachentwicklung von vor 3 Millionen Jahren sind es nur 0,087 % Erfahrungszeit.) Wir haben verbal-imperativisch es mit einer zeitlich extrem langen Erfahrung zu tun, für die selbst ein Nachweis der Anweisung der Integrität aller Menschen fehlt.

Dennoch hat der Mensch in Wort und teilweise in Praxis zu diesen beiden Imperativen, der Integrität und Förderung des Positiven, selbstständig gefunden. Hier wird seine gestaltformende Energie sichtbar. Er konnte über seine evolutionäre Vorfindbarkeit hinaus sich selbst differenziert entwerfen. Aber es war nur eine Soll-Vorschrift.

Antwortgarantie auf Ihr Votum: E-Mail: hans-georg.fellecke@freenet.de

This entry was posted on Samstag, Mai 1st, 2010 at 10:50 and is filed under Allgemeines. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.

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