Möglichkeit einer „imperativfreien Ethik“ oder eines „ethikfreien Indikativs“ Teil 3

ad 3. Zu diesem Teilthema Begriff und Entwicklung der Liebe können 6 Schichten unterschieden werden:

a. Ich gehe zunächst von der zweiten Schicht aus. Der Codex Hammurabi (1792-1750; 1728-1686 ante) geht  auch von gleichgeordneten gegenseitigen körperlichen Verletzungen und wirtschaftlichen Einschnitten aus. Allerdings  beziehen sich diese gewissen „Ausgleiche“ a. nur innerhalb derselben sozialen Schicht und b. nur in bestimmten juristischen Fällen (körperlich : §§ 196 Auge um Auge, 197 Knochen um Knochen, 200 Zahn um Zahn; ökonomisch: §§ 245 Rind um Rind, 263 Schaf um Schaf) im Gegensatz zu den gleichen Konflikten zwischen zwei Angehörigen verschiedener Sozialschichten (körperlich: §§ 198, 201, 202, 205, 207; wirtschaftlich: §265). Dennoch kann von einer gewissen Tendenz zur Humanisierung gesprochen werden. Das Alte Testament hat die Gesetze des „Ausgleichs“ „Auge um Auge – Zahn um Zahn“ übernommen. Auch dieses Gesetzeswerk ist sozialgruppenbestimmt.

b. Diese neue schriftlich fixierte Reglementierung im Codex Hammurabi war ein juristischer „Sprung“, auch wenn die entsprechende Rechtspraxis dahinter zurückgeblieben ist. Wir können jedoch von diesen gewissen „Ausgleichen“ zurückschließen, dass folgende Praxis zuvor stand: ein Auge gegen zwei Augen, ein Zahn gegen das gesamte Gebiss. Gewisse Hinweise mutatis mutandis gibt es auch in dem „Rechtsbuch“.

c. Im Alten Testament begegnet uns eine Mischanweisung: Feindeshass und -bekämpfung sowie Nächstenliebe. Hier ist der Nächste der jüdische Mitbürger. Jetzt ist die Gesamtheit eines Volkes von der Integrität betroffen. Weitere international großgruppenbestimmte Integrität finden wir im Kommunismus: „Proletarier aller Länder vereinigt euch“. In der kommunistischen Praxis war einerseits marxistisch die Expropriation der Expropriateure und andererseits zusätzlich leninistisch deren physische Eliminierung das Ziel.

d. Im Neuen Testament wird sprachlich von der Feindesliebe gesprochen. Hier bedeutet traditionell der Feind der völkisch Fremde. Die Nächstenliebe wird also schrankenfrei auf alle Menschen ausgedehnt und damit internationalisiert. Es fehlt bei dem Gebot der Feindesliebe jedoch ein positiver Begriff statt des Feindes. Nach neutestamentlichen Texten vergibt zwar der gekreuzigte Jesus seinen Mördern, aber der auferstandene Christus zeigt seine Wundmale; also frei von basistisch Neuem für unsere Thematik. Auch in der Kriminalgeschichte der Kirche greift diese auf göttliche Anweisungen zurück. Im Prinzip bleibt die Entwicklung auf dem Niveau einer Mischanweisung, auch gruppenbestimmt (s. z. B. Ketzervernichtung).

e. Für eindeutige Anweisungen des konstruktiven Handelns nenne ich summarisch Laotse (geb. 600 ante), Buddha (geb. 560 ante), Mao Tse (geb. 400 ante), Paulus und Johannes mit ihrem Begriff agape (= Liebe), Seneca (geb. 65 post), E. Kant mit dem kategorischen Imperativ, der schon in dem Buch „Tschung Yung“ – verfasst von einem Enkel des Konfuzius (Konfuzius geb. 551 ante) – vorkommt, die Deklarationen der Französischen Revolution, der UNO und der Religionen von 1893 und 1993. Obwohl auf dem Niveau des Imperativs verbleibend soll die Destruktion bzw. die Eliminierung der Menschen ausgeschlossen bleiben. Ob das z. B. auch dem Buddhismus zugesprochen werden kann, wage ich zu bezweifeln.

f. Für die „dato-Welt“ zieht B. BRECHT mit seinem Bühnenstück DER GUTE MENSCH VON SEZUAN eine realistische Bilanz der gegenwärtigen Mischanweisung. Als guter Mensch muss Shen Te immer wieder den streng ökonomisch denkenden und handelnden Shui Ta verkörpern um einmal wieder Shen Te sein zu können.

Ein entscheidender Durchbruch von einem Imperativ zu einem dauerhaft positiven Indikativ zu kommen, der alle Menschen einschließt, fehlt bis heute.

ad 4. Der gegensätzlichen Gefühlswelt unterliegen alle Menschen. In ihr liegen verschlüsselt alle grundsätzlichen Verhaltens- und Erlebensweisen – also auch der De- wie Konstruktion. Damit sind die Menschen ambivalent strukturiert. Integrität, Existenzerhaltung und -förderung, aber auch Weiterentwicklung sind ihm eigen. Ebenfalls können die 5 Instrumente in ihm „gelesen“ werden.

Antwortgarantie auf Ihr Votum: E-Mail: hans-georg.fellecke@freenet.de

This entry was posted on Samstag, Mai 1st, 2010 at 10:45 and is filed under Allgemeines. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.

Hinterlasse einen Kommentar