Anobische Interpretation

Teil 2

Als Gegentext zu Kafka „Das Gesetz“ wird der Text aus dem LUKASEVANGELIUM 16,1 ff. DER KRIMINELLE GUTSVERWALTER oder EIGENINITIATIVE VOR DER EIGENSTÄNDIGEN ZUKUNFT gestellt.

Zwei Vorbemerkungen:
1. Um den Sinn des Textes zu erfassen, muss die Interpretation wertfrei bleiben. Also diese voraussetzungsfreie Exegese wird jegliche Wirtschaftsethik außer Betracht lassen.
2. Die beiden redaktionellen Verse 8 und 9 mit ihrer positiven Bewertung, die in den Versen 10-13 gleich wieder gemildert bzw. zurückgenommen wird, entfallen in der Interpretation.

1. Elemente
a. Großgrundbesitzer, b. Gutsverwalter, c. Schuldner des Großgrundbesitzers

2. Funktionen
ad 1.a. Großgrundbesitzer fordert von dem Gutsverwalter einen Geschäftsbericht. Offenbar vermutet jeder, dass dieser die Regeln des Geschäftslebens unterlaufen hat. Die Entlassung des Gutsverwalters wird angeordnet. (2);
ad 1.b. negative  Selbsteinschätzung des Gutsverwalters (3) und unter Einsatz seiner verbliebenen Macht (4) schlägt er den Schuldnern Urkundenfälschung vor, um deren sozialen Engagement zu kaufen (4),  die sozialen Out und In bleiben außerhalb der Berichtserstattung;
ad 1.c. der Text lässt sowohl das Eingehen auf das kriminelle Angebot als auch das Sozialengagement offen (vom Wortlaut des Textes muss die Bewertung unterbleiben; vom Sinn des Textes „Vorsehung“ jedoch kann die Bewertung auf 5 lauten; noch extremer siehe Lukas (12,41ff).

3. Kairos-Skala / Berechnungseinheit
18 : 5 = 3,6
Spannungsbogen 2-5; also im mittleren Bereich mit einer stärkeren Tendenz zur offenbleibenden Zukunft.

Die Erzählgestalt bleibt verbal nach vorn hin offen, vorsehungstheologisch (säkular Einstellung auf die Zukunft) jedoch vollendet. Die Zukunft kann im weiteren Leben des Gutsverwalters Platz gewinnen. Trotz Eigeninitiative ist er Platzhalter seiner Zukunft.

4. Universalien
a. Dasein aus Dasein – Mitsein
Der Gutsverwalter akzeptiert die Entscheidung seines Chefs und weiß mit seiner verbliebenen Macht, eigennützlich dynamisch umzugehen.

b. Persönlichkeitsstruktur
Der Gutsverwalter dürfte eher eine extrovertierte Haltung einnehmen und sich nach den beiden Seiten Gutsbesitzer und Schuldnern adäquat verhalten.

c. Äußerer Lebensaufbau
Eine sorgenvolle Aktivität gepaart mit einer offenen Erfolgsmeldung.

d. Existenzentwurf
Das vorlaufende Zielbewusstsein des Gutsverwalters zeigt eine lebensgewandte Flexibilität.

5. Struktur von Form und Inhalt
Der Text gibt ein Beispiel von positiver Position. Die positive Form: Ich weiß, was ich tue. Die inhaltliche Position: Das Verführungsangebot zur Urkundenfälschung für die sozial-ökonomische Existenz des Gutsverwalters hat einen wegweisenden Charakter, dessen Realisierung aussteht.

6. Intentionalitätseinheit
Die in dem Text geschilderte innere Energie umreißt die aktive Vorbereitung zum Durchbruch einer in die Sackgasse geratenen Berufs- und Lebenskrise. Der Text ist frei von der Feststellung einer vollendeten weiteren Lebensgestaltung. Der Aufbau des Textes: aktuelle Lebensbilanz – Flexibilität – Offenheit. Die Ablauf – Gestalt des Textes bildet nur einen Ansatz zur Ausnützung der Intentionalitätseinheit. Somit kann die Zukunft in der gegenwärtigen Situation des Gutsverwalters Platz gewinnen. Trotz Eigeninitiative ist der Gutsverwalter Platzhalter seiner Zukunft.

7. Immanente Dialektik
Stufe b. Motivierte Gegenwart, die frei von Fixierung ist, und offene Zukunft, die sich frei und anders als erwartet gestalten kann, stehen sich respektabel gegenüber. Eine Einheit, in die beide einfließen, und ein Neues bilden, bleibt außen vor. Die Zukunft hat eine eigenständige Kraft, sie wirkt aus sich selbst heraus.

8. Anobisität
Die bedrückende Situation gepaart mit einer ansatzmäßigen Vorsorge und einer sich noch frei  entwickelnden  Zukunft erbringen eine Spannung (die ausgehalten will). Die Spannungssituation setzt ein Vertrauen in das Leben. In dem Text wird eine adäquate Einstellung zur Zukunft deutlich.

Nachbemerkungen:

1. Theologisch ist diese lukanische Perikope ein Vorsehungstext.
2. Vergleiche Texte a. im Neuen Testament: Markus 12, 41ff und par.; Matthäus 6, 26-28 par.,
b. im Alten Testament. Genesis (1. Buch Mose), 12,1ff; Exodus (2. Buch Mose), 3,14;
1. Könige 19,1ff
3. Die Evolution ist von jeher an sich und aus sich selbst heraus strukturell vorsehungsträchtig, um sowohl das nun schon vergangene als auch das aktuelle Ergebnis zeigen zu können. Sie ist eine gute säkuläre Lehrmeisterin in Sachen der offenen Zukunft. – Der religiöse Lehrmeister Gott ist theologiegeschichtlich ein Späteinsteiger.

Antwortgarantie auf Ihr Votum: E-Mail: hans-georg.fellecke@freenet.de

This entry was posted on Dienstag, März 1st, 2011 at 00:10 and is filed under Allgemeines. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.

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