Anobisität vom August, 2019

Nun ist auch noch die Leiche weg – Das Nichts nichtet

01.08.2019

Beide Überschriften schliessen einander ein.

In den Vortexten wurde Heidegger zitiert „Das Nichts nichtet.“ Damit wird die Zukünftigkeit der Zukunft eröffnet; wenn sie nicht schon längst am Laufen ist. Als Kriterium des neutestamentlichen Kanons wurde die Göttlichkeit Gottes in Jesus genannt. Eine nur verbale Erweiterung wäre Jesus von Nazareth.

In den kanonischen Schriften wurde als Glaubensobjekt die Göttlichkeit Gottes in Jesus von Nazareth festgelegt. Traditioneller wurde wie folgt formuliert: Christus, der Jesus von Nazareth genannt wurde, oder der Logos wurde „Fleisch“, neuere verständlichere Übersetzung Gott wurde Mensch.

Paul Tillich wiederholte ständig in seiner Systematischen Theologie: Jesus, den man den Christus nennt. Aber er sagte auch, dass der Logos Fleisch geworden ist. Theologisch richtiger wäre gewesen, Christus, den man Jesus nennt.

Also, vorrangig war nach der verschwundenen Leiche Jesu von Nazareth und den nur notwendigen Angaben über dessen historische Person ein Glaubensobjekt aufzubauen, indem eben diese Montage Göttlichkeit Gottes mit Jesus von Nazareth erfolgte.

Sowohl alle neutestamentlichen Texte als auch die aktuellen Glaubens- und theologischen Aussagen sind auf diesen Nenner zu bringen. Das heisst einmal, dass die kanonischen Texte und die aus der Theologiegeschichte diesem Kriterium unterliegen. Zum anderen müssen auch die aktuellen Aussagen diesem Qualitätsmerkmal entsprechen.

Dieses zeit- und kulturübergreifende Merkmal bildet die gemeinsame Basis aller Gläubigen.

Deren Aussagen sind jedoch historisch-kritisch zu überprüfen; was sich hinsichtlich des Neuen Testaments seit mehr als 300 Jahren in steigender Intensität und Qualität vollzieht. Die Arbeitsmethoden haben sich von der Textkritik bis zur Redaktionsgeschichte, inklusive des kanonischen Gesamtrahmens, detailliert aufgefächert.

In dieser weltweiten Arbeit der Theologen des Neuen Testaments wurde die Göttlichkeit Gottes bezüglich Jesus von Nazareth von der verschwundenen Leiche aus

a) sowohl als neue Kultfigur historisch rückwärts bezüglich von seiner sozialen Herkunft, seiner Leistung, seines Scheiterns bis zu seiner genealogischen Abstammung (Adam – Gott);
b) im Aufbau als Glaubensobjekt vorwärts auf der Basis des Nichts nichtet;
c) als auch bezüglich eines kulturakzentuierten Orientierungstyp, der – als geborener Orientale -, zu einem hellenisierten, anschliessend europäisierten, durch die globale Missionstätigkeit afrikanisierten, auch asiatisierten avancierte.

Aber doch hoffentlich ist die Göttlichkeit Gottes, die sich in Jesus von Nazareth etabliert hat, durchgängig geblieben.

Damit kann die Identität beider Elemente in der Intentionalitäseinheit auf Stufe 6 festgestellt werden; der Spannungsbogen liegt eindeutig bei Null. In der Immanenten Dialektik bleibt sie auf der Stufe von c. Die höchste Stufe der Theologie bzw. der Religionsgeschichte ist mit der Inkarnation erreicht. Die christliche Theologie und die Religionsgeschichte sind bez. der Inkarnation zu einem Abschluss gekommen.

Die Göttlichkeit Gottes in Jesus von Nazareth als Glaubensobjekt verbleibt allerdings anobisch in der Immanenz und ist für den Glaubenden etwa eine Projektion. Ihm stehen die neutestamentlichen Aussagen seit deren Kanonisierung in einer Überfülle zur Verfügung, die im Laufe der Kirchengeschichte sowohl die Kirchen für ihren Führungsanspruch lehramtlich als auch jeder Gläubige individuell für seine Existenzführung nur mit einer gewichteten Auswahl und deren Aktualisierung aufgenommen worden sind.

Daran hat der Gestaltene Gestalter in seiner aufgenommenen Gestaltung seinen Anteil.

Was kann er in dem Dilemma zwischen seinem historischen Gestaltet-worden-Sein und der säkularen Anobisität tun?

* * *

Die folgenden acht ausgewählten Punkten sind zum Nachdenken, –arbeiten und -(er)leben über das Nichts, das nichtet, gedacht:

  1. Die Offenbarung der Göttlichkeit Gottes in Jesus von Nazareth gilt theologisch als abgeschlossen. Diese kann nur durch Aktualisierung wiederholt werden. Jedoch die Anobisität war vom Urknall bis dato und ist auch weiterhin für Neues offen.
  1. Die Göttlichkeit Gottes in Jesus von Nazareth ist religionswissenschaftlich und projektiv gesehen eine partikulare Auffassung. Die Anobisität ist durchgängig universal.
  1. Methodisch ist die Inkarnation eine Montage, während die Anobisität eine Wesenseinheit von Inhalt und Methode bildet.
  1. H.G. Gadamer hat darauf hingewiesen, dass der christliche Glaube wesentlich Zukunft sei. Die Anobisität rechnet mit der Zukünftigkeit der Zukunft.
  1. Im Operationsfeld Gottes zu sein, heißt denkender und handelnder Gläubiger; ein entsprechender Existenzvollzug. Das Operationsfeld der Anobisität umfasst alle und alles absolut.
  1. Die kosmische Absolutheit der Göttlichkeit Gottes wird mit Jesus von Nazareth kombiniert. Die Absolutheit der Anobisität beginnt schon vor dem Urknall und ist mit der Entwicklung des Kosmos von Natur aus in allen und in allem enthalten.
  1. In der Kombination Theologie und Religionsführung wird ein Absolutheitsanspruch gestellt. Die Notwendigkeit, einen derartigen Anspruch zu erheben, ist für die Anobisität überflüssig.
  1. Auch hinsichtlich der Spannung zwischen Absolutheit und Konkretion wird die mögliche projektive Göttlichkeit Gottes als absolut hingestellt und die Konkretion Jesus von Nazareth, soweit sie der Nützlichkeit der Göttlichkeit Gottes dient, benützt. Die eigentliche vollumfassende historische Person Jesus von Nazareth ist theologsich gefiltert. Dagegen ist die Anobisität in ihrer Absolutheit in allen Konkretionen anwesend. Denn ausserhalb der Konkretionen ist sie zwar inexistent, jedoch können die Konkretionen nur mit ihr existierend produktiv sein.

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Jedem Gestaltenen Gestalter steht selbstverständlich die Freiheit zu, seine bisherige entsprechende Gestaltung weiter (z.B. mit existentialer Interpretation neutestamentlicher Aussagen) auszubauen.

Aber ihm gehört auch die Freiheit, sich von der Auswahl der aufgezeigten Differenzen zu lösen und sich eine säkularanobische Basis zu schaffen.