Anobisität vom März, 2024

Formgeschichtliche Überlegungen zu der kanonischen Endredaktion der Synoptiker

01.03.2024

Formgeschichtliche Überlegungen zu der kanonischen Endredaktion der Synoptiker

I. Zwei Vorbemerkungen
a. Die drei Synoptiker werden in diesem Text als eine kanonische Einheit betrachtet. Selbstverständlich kann jede Schrift für sich formgeschichtlich präziser untersucht werden.
b. Formgeschichte lebt vom Zirkel. Ein ideeller Text stellt einen existenzwichtigen Wortlaut Lesern zur Verfügung, während diese für ihre lebenswichtige Einstellung auf eine autorisierte schriftlich fixierte Abfassung sicher sein möchten.
An welchem Punkt ein Interpret in den Zirkel einsteigt, bleibt ihm überlasen.
Auch ein doppelter Einstieg ist denkbar; der Text versucht es.

II. Die Methoden
Folgende Methoden bilden einen gutvernetzten Cluster. In dieser Kooperation sollen folgende Methoden verwendet werden. Die erstgenannte geht
a. mit einer anobischen Methode konform und
b. zwei weitere lassen sich in der anobischen Methodensequenz finden.
ad a. Den Begriff Ablaufgestalt aus der Psychologie nenne ich auch Vollendete Gestalt; ein psychologisches Gesetz. Nur eine Vollendete Gestalt, z.B. als Textgestalt, bringt Sicherheit, Zufrie-denheit, Identifikation.
Die Vollendete Gestalt ist identisch mit der Intentionalitätseinheit
der Stufen 5,5 bis 6. Der Spannungsbogen ist (fast) auf Null.
ad b. In der Universalie Lebensfülle finden wir Transzendenz und Immanenz und die Universalie Existenzentwurf bietet den Zusam-menhang mit Woher – Wohin an.

III. Nun zu dem eigentlichen Problem
Es sind zwei zirkuläre Arbeitsschritte:
1. Die beiden folgenden Basispunkte stehen in einem anobischen Verhältnis zueinander, um
2. im Verlauf des Textes die Endredaktion der kanonischen Syn-optiker mit den obigen Methoden sicher zu erfassen.

Die beiden Basispunkte für den theologischen Grundsatz der Göttlichkeit Gottes:
1. Dem synoptischen Textablauf gemäβ:
erst Kreuz – dann Auferstehung; historisierend.
2. Dem theologischen Konzept gemäβ:
zunächst Auferstehung – dann Kreuz.

ad Pkt. 2. Die Idee der Auferstehung war dringend geboten, um die frustrierende Totalbegrenzung in dieser Welt zu durchbrechen, und die nötige Freischaltung zur frustrationsfreien Zukunft in Aussicht zu stellen; das Angebot einer extremen Vollendeten Gestalt.

ad Pkt. 1. Fehlte die Auferstehung, wäre der Vorgang der Tötung Jesus von Nazareth eine vollendungsfreie Textgestalt geblieben. Das Kreuz als Abschluss bliebe auβerhalb einer Vollendeten Gestalt.

(Der Tod hatte in der Antike bis in die Neuzeit einen stärkeren Extremwert, in unserem gegenwärtigen Kulturkreis wird er facettenreich gesehen.)

IV. Die Göttlichkeit Gottes in Pkt. 2. wird theologisch verstärkt auf Pkt. 1. und zusätzlich endredaktionell sowohl rückwirkend genealogisch bzw. in jüdischer Glaubenswelt verwurzelnd als auch vorlaufend auf globale Konsequenzen gerichtet.
Die kanonische Endredaktion der Synoptiker bilden eine in sich geschlossene, also Vollendete Gestalt.
Die kanonische Endredaktion stellt die Göttlichkeit Gottes in Jesus von Nazareth in seinem göttlich eingebetteten Lebensablauf vor, der in dem göttlich legitime Status die auβerordentliche Bedeu-tung für die globale Welt besitzt.
Hier werden Transzendenz und Immanenz, Zusammenhang mit dem Woher und Wohin eingesetzt.

V. Der Sitz im Leben
Aus der sich selbstisolierenden religiös-jüdischen Glaubenswelt eines römischen Randgebietes, provinzialer Enge Galiläas, wird in einem Groβreich angesichts einer multireligiösen Front ein welt-umspannender Auftrag eines neuen Glaubens geboten. Die christ- lichen Gemeinden können sich mit diesem Angebot nach innen stabilisieren und mit einem eindeutigen Auftrag sicher nach auβen wirken.

Die Gemeinden leben in einer Enkulturierung (sic!) einer multiplen religiösen Antifront inner- und auβerhalb der Groβkirche, in der sie eine feste und sichere Grundlage wünschen und benötigen. Mit der Vollendeten Gestalt in dem Buch (Matthäus), Evangelium (Markus) und bei dem Sammler und Redaktor Lukas (s. entspr. Kommentar, Schürmann, S.16) weisen die Gemeinden ihren Standpunkt sicher nach.
Die Gemeinden leben in der Immanenz mit Blick auf die Trans-zendenz, ihnen ist der Zusammenhang klar, woher sie ihren Glauben beziehen und woraufhin sie leben. Für sie bedeutet dieser Cluster eine Vollendete Gestalt für ihre Existenzführung, eine sichere religiöse Sozialisierung.