Anobisität vom April, 2020

Inkarnation

01.04.2020

Anobische Übersetzungen Johannesevangelium 1, 14 a:

Gott / der Logos wurde (in der Person Jesus von Nazareth ein) Gestaltener Gestalter.

Oder:

1. Der Logos als Offenbarungsträger wurde einer der Gestaltener Gestalter.

2. Der Logos wurde ein Gestaltener Gestalter.

3. Gott wurde ein Gestaltener Gestalter.

I. In diesem johanneischen Grundsatzprogramm verbirgt sich eine

doppelte Konvergenz: 1. Gott mit dem Offenbarungsträger, der 2. in der Person Jesus von Nazareth historisch vorgestellt wird. Der Gestaltene Gestalter und die Gestaltenen Gestalter bilden allerdings eine Divergenz.

Der anonyme Evangelist arbeitet sowohl mit einer doppelten Konvergenz als auch mit einer Divergenz.

Auβerdem bildet dieser Basissatz eine Ambivalenz.

II. Wieweit konnte dieses theologische Fundament als exklusive Sinnmitte der Gestaltenen Gestalter in der Ausarbeitung des Evangeliums durchgehalten werden? Erfasst diese Bezugsgröβe die Existenzrealität der glaubenden bzw. zu missionierenden Leserschaft? Denn der Offenbarungsträger ist ja in die Menschheit eingegangen.

Der folgende Text versucht eine anobische Analyse.

III. Aber schon in dem Johannesprolog taucht gleich eine Störung auf. Der Offenbarungsträger erreicht also nur einen Teil der Gestaltenen Gestalter. Die Verse Johannesevangelium 1, 11 und 12 bzw. 14 b und c weisen einerseits auf die Divergenz und andererseits auf die Konvergenz bezüglich seines Auftrags als Offenbarungsträger bei den Gestaltenen Gestalter hin.

Deshalb unsere Fragestellung: Wieweit reicht die theologische Konvergenz zwischen beiden Bereichen der „oberen“ göttlichen und der „unteren“ menschlichen Welt? Oder muss in der Differenzierung des Grundsatzprogramms auch mit theologischen Divergenzen gerechnet werden?

IV. Nach den obigen Übersetzungen ist Gott in die „untere“ Welt inklusive Pro und Contra eingegangen.
Wir fassen diesen Vorgang konsequenterweise dann auch mit der anobischen Methodensequenz (Zahlen in Klammern weisen auf einen Kairos – Stellenwert hin):

1. Von zehn Universalien können gemäβ der Interpretation acht eingesetzt werden:
a) Das Universal Dasein – Mitsein spricht hier hinsichtlich Jesus von Nazareth von dem Fehlen des gesicherten Daseins, auch von Über- und Unterordnung (1,5).
b) Leib – Geist – Psyche – Relation reduziert auf die Teiluniversalien Geburt- und Sterbeakt Jesu von Nazareth. Hinzugefügt werden kann noch sein Totsein (3).
c) Ebenso verhält es sich in dem Universal Äuβere Lebensgestaltung: Freundschaften; sein engerer und weiterer Fankreis (4).
d) Ortseinstellung: nur kurze Zeit in der „unteren“ Welt (3).
e) Weltgestaltung: Verantwortung füreinander (6).
f) Kulturgebundenheit: Hier wird es auf das Teiluniversal Religion eingeschränkt (2,3).
g) Lebensfülle: Transzendenz – Immanenz; Agape (6).
h) Existenzentwurf: Woher –Wohin (6).

Die beiden anderen Universalien bzw. die hohe Zahl der Teiluniversalien bleiben aussen vor, obwohl sie zeit- und kulturübergreifend konzipiert sind. Die Gesamtheit der Universalien umfasst die gesamte Existenz der Gestaltenen Gestalter. Die konzipierte Inkarnation erfasst jedoch nur einen Teil der Universaliengesamtheit.

Der johanneische Grundtext und das entsprechende Evangelium gehen an der Breite und dem differenzierten Universalienaufbau der Gestaltenen Gestalter vorbei. Diese bleiben also mit ihrer Problematik, ihren extremen Widersprüchen und ihrem historischen Gewordensein sowie mit ihrer schöpferischen Gestaltungskraft auf sich selbst angewiesen. Damit sind sie zu ihrer Souveränität herausgefordert.

2. Der Gesamtpunktwert auf der Kairos – Skala beläuft sich auf 31,8 : 8 = 3,975. Der Grenzbereich der beiden Kairos – Stufen 3 / 4 zeugt sowohl von einer Spannkraft in Richtung „obere“ Welt als auch von einer gesetzten Leistungsfähigkeit und einer fragmentarischen Leistungserbringung, die mit punktuellen Einsätzen für die Gestaltenen Gestalter erbracht wird.

Der Logos bzw. Gott (6) und der Gestaltene Gestalter als Offenbarungsträger (Kreuzestod; minus 1) weisen auf die theologische Notwendigkeit einer Ambivalenz der Inkarnation in Richtung der Transzendenz hin. Damit ist die religiöse bzw. theologische Standortbestimmung des Offenbarungsträgers festgestellt.

Das Ergebnis der Gesamtberechnung auf der Kairos – Skala 3,975 zeigt die Richtung zur Transzendenz, zur Göttlichkeit Gottes und die Funktion innerhalb des Operationsfeldes Gottes an.

Das Eingehen der Göttlichkeit Gottes via Jesus von Nazareth als ein Gestaltener Gestalter bleibt deutlich bruchstückhaft.

3. Die Intentionalitätseinheit von minus 1 bis 6 zeigt einen starken sechsstufigen Spannungsbogen. Eine sehr hohe Punktzahl des Spannungsbogens ist erreicht. Eine deutliche Selbstkritik an dem eigenen Entwurfs ist angezeigt. Wo wird diese ausgeführt?

Die Einheit bleibt zu beiden Seiten spannungsreich:
Die Göttlichkeit Gottes kann in das Operationsfeld Gottes nur extrem geringfügig eingepasst werden. Die Leserschaft vermisst bei dem besagten theologischen Thema Inkarnation eine ausgewogene Konvergenz in einer Ablaufgestalt oder Guten Gestalt.

Mit dem Hingelenktwerden zu der göttlichen „oberen“ Welt wird den Gestaltenen Gestalter höchstens der Ansatz einer Ablaufgestalt angeboten. Sie bleiben eher isoliert und mit dem Aufbau eines eigenen Entwurfs selbstständig.

4. Die Immanente Dialektik hält für das anthropologisch – theologische Problem nur die Stufe b. bereit. Gott tritt in seinem Offenbarungsträger per Funktionen den Gestaltenen Gestalter gegenüber. R. Bultmann hat in seiner Theologie des Neuen Testaments folgende Funktionen aufgelistet: z.B. Duchschaubarkeit der Menschen, Jesu Allwissenheit und dessen Ungreifbarkeit und Missverstandenwerden. Weiter: In den Ich – bin – Worten wirkt der Offenbarungsträger als Angelpunkt im immanenten Verstehenshorizont:
das Lebensbrot, das Licht der Welt, die Tür zur Rettung, der gute Hirt, die Auferstehung und das Leben, der Weg, die Wahrheit und das Leben, der rechte Weinstock.

Der gläubige Leser wird vollständig auf den Offenbarungsträger ausgerichtet. Nur mit und durch ihn kann er seine eigentliche Existenzbasis aufbauen.
Im Hintergrund kann z.B. noch Römerbrief 14, 7 und 8 genannt werden.

Die Stoβrichtung einer theologischen Neuschöpfung zu der Stufe c. – diese wollte die Inkarnation ja sein – fehlt anthropologisch – theologisch weiterhin.
Der Gestaltener Gestalter als Offenbarungsträger erscheint, bleibt vorübergehend unter den Gestaltenen Gestalter und kehrt zum Vater zurück.

Der Evangelist hat im Gegensatz zu der vollen anthropologischen Leistungsfähigkeit des Inkarnierten nur eine fragmentarische theologische Leistungserbringung beschrieben. Hier klafft also eine Lücke. Diese Differenz zeugt von der leider tatsächlichen beschriebenen Divergenz gegen eine mögliche Konvergenz. Die volle Erfüllung des Eigenanspruchs bleibt also aus.

V. Anobisches Fazit

Die kritischen Anmerkungen zu der Exegese könnten zu einer ausgereifteren Inkarnationstheologie führen. – Zusätzlich werde ich in den nächsten zwei Abschnitten kurz auch auf die paulinische Meinung hinweisen.

Die Theologie der johanneischen und paulinischen Schriften hat die Revolution gegen den platonischen Dualismus vom ewig stabilen göttlichen Bereich und der minderwertig deklarierten Materie akzentuiert gewonnen.

Ebenfalls konnten die eben genannten Verfasser mit einer hervorgehobenen Zentralfigur eine echt historische Person die Gnosis überwinden, die nur einen vermeintlich geschichtlich menschgewordenen göttlichen Wesen vorgestellt hat, pointiert an die Front der Mehrheitsreligionen gehen.

Das Johannesevangelium zeugt mit dem Eintritt, bezüglich der Leistungserbringung und durch das Ausscheiden des göttlichen Gestaltenen Gestalters aus der „oberen“ Welt von einem monistischen Grundansatz beider Welten.

Ebenfalls konnte ein gewisser neuer Existenzentwurf angeboten werden, sodass das individualistische „sibi vivere“ der Zeitgenossen durch eine gemeinschaftlich neue markante Ausrichtung ersetzt wurde.

Theologiegeschichtliche Beurteilung:

Mit einem einzigen Satz des Evangeliums, mit einem Begriff der Theologie hat der anonyme Verfasser dieser neutestamentlichen Schrift ein vierfaches Meisterstück angeboten.
Der Gewinn ist historisch, die aktuelle Theologie ist jedoch noch ausserhalb des „grünen Bereichs“.

Die oben vorgestellte Analyse per anobischer Methodensequenz hat jedoch gezeigt, dass die Gewichtung der „oberen“ Welt stärker als die der „unteren“ ausfiel. Offenbar verstärkte sich im Laufe der theologischen und kirchlichen Entwicklung wieder trotz der Inkarnation dieser theologische Trend. Der in die Anobisität Eingetretende und damit historisch gewordene Gestaltener Gestalter avancierte dann doch wieder zu einem für die „untere“ Welt überweltlichen Gott.

Die Aufklärung, z.B. deutlich und nachhaltig Newton und Kant, musste aufgrund ihrer Denkbasis die „untere“ Welt favorisieren, um neben der kirchlichen Propaganda die ehemals minderwertige „untere“ Welt zu ihrem eigenständig konstituierenden Recht zu verhelfen. Die Aufklärung schrieb diesem Bereich dem ihm angemessenen Gewicht zu. Damit öffnete sie allen seinen Mitgliedern die Möglichkeit eines schöpferischen Selbstbewusstseins und adäquater Handlungsfähigkeit.

Feuerbach liegt mit seiner Doppelung Projektion – Selbstbeheimatung bezüglich des Themas Inkarnation daneben. Die Rücknahme des „halbfertigen theologischen Ideals“ würde die Gestaltenen Gestalter an ihrer breiten und ausgewogenen Aufgabe des Angenommenen hindern. Sie entwerfen ihre eigenständigen in sich selbst konstituierenden Lebensmodelle in Permanenz.
(s. Text EINE BETRACHTUNG DES BETRACHTERS SEINER SELBST)

Das Ergebnis der anobischen Analyse stellt eine deutliche Divergenz zwischen dem johanneischen Angebot und den modernen Gestaltenen Gestalter fest.

Wieweit kann eine brauchbare anthropologische Konvergenz für die Gegenwart aufgebaut werden:

  1. inhaltlich verbindliches Selbstautoritätsangebot – Gesamterfassung der Universalien – ,
  2. aller Gestaltener Gestalter?