Anobisität vom November, 2019

Immanente Gottesentwürfe

01.11.2019

Vorbemerkung

Die kursiv gedruckten Angaben in Klammern beziehen sich auf
KS = Kairos – Skala; IE = Intentionalitätseinheit; ID = Immanente Dialektik.

Die Religionsgeschichte bietet einen Reichtum an immanenten Gottesentwürfen. Das heisst, dass die Gotteskonstruktionen aus den Bedingungen der Immanenz hergestellt worden sind.

Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass in diesem Text Gottesvorstellungen anobisch inklusive dreier Kriterien untersucht werden. Eine Gesamtschau, in der der jeweilige Gott das Zentrum bildet, bleibt ausgeschlossen.

Die folgenden Äusserungen über eine Gottesgestalt können sich beziehen auf

a) summarische oder grundsätzliche Bemerkungen bezüglich heiliger Texte einer Religion, deren Exegese, ihrer Theologien, ihrer Traditionen und ihrer Geschichte

b) aber auch auf detailliert einzelner und zusammenhängender Basis-textstellen und der punktuellen politischen, sozialen und psychologischen Wirkungsweisen.

Ich setze drei Kriterien ein: 1. Projektion, 2. Translation und 3. Identität. Diese Dreiteilung soll genügen, um immanente Gottesentwürfe darzustellen:

  1. Ist der Ausgangspunkt, dass Gottesentwürfe Projektionen sind, dann sind menschliche Verhaltensmöglichkeiten und Vorstellungen in die jeweilige Gottheit eingetragen worden. Eine Rücknahme der Projektion im Sinne der Selbstbeheimatung sollte möglich sein.
  2. Ist der entworfene Ausgangspunkt die Metaphysik bzw. die Transzendenz, dann hat die Gottheit die Menschen nach ihrer Weise geformt (Translation, s. Nachtrag 1).
  3. Liegen die Punkte 1. und 2. vor, spreche ich von einer Identität eines Gottesentwurfs gleich Anhänger.

Ich will zunächst auf vier immanente Gottesentwürfe summarisch hinweisen, auf einen fünften etwas detaillierter:

  1. In der griechischen Mythologie agieren die göttlichen Protagonisten wie die Menschen auf der Erde. Dieses war schon altgriechischen Philosophen aufgefallen (KS: 2; IE: 2, Spannungsbogen Null; ID: b). Einige von ihnen haben sich darüber schon vor ca. 2600 Jahren lustig gemacht (KS: 3, Tendenz zu 4; IE: 3 bis 4, Spannungsbogen 2; ID: b, geringe Tendenz zu c). Einige wurde auch angeklagt und hart bestraft oder sind selber in den Tod gegangen (KS: 2 bzw. 1 minus; IE: 2 bzw. 1 jeweils Spannungsbogen fast Null; ID: b bis a bzw. a minus).
  2. In der römischen Welt kann eine Apotheose des Kaisers beobachtet werden. Einer von ihnen soll sogar ausgerufen haben: „Hilfe, ich werde ein Gott“. Mehrere Kaiser wurden auch wieder entgöttlicht (damnatio memoriae).Götter einsetzen – Götter wieder absetzen – welche Strategie dem Gestaltenen Gestalter möglich ist!
  1. Eine etwas ähnliche Strategie kann auch aus südasiatischen Gottesvorstellungen herausgearbeitet werden.
  2. Im Neuen Testament wurde mit den alttestamentlichen Erfahrungen die Göttlichkeit Gottes in Jahwe zeitversetzt die in Jesus von Nazareth aufgebaut. Hier wurden selbst hinsichtlich der historischen Person Jesus von Nazareth die wichtigsten immanenten Bedingungen (z.B. Geburt, Verkündigungsleistungen, Sterben, Totsein) nur so weit aufgenommen, dass seine Göttlichkeit Gottes explizit transzendent erarbeitet werden konnte. Also: Die Göttlichkeit Gottes in Jesus wurde so transzendental wie möglich, Jesu irdisches Dasein so menschlich wie nötig entworfen. Auf dieser Basis (theol.: Inkarnation) konnte eine Identität Glaubensobjekt und –subjekt weitgehend ausgeschlossen werden. – Zusätzlich wurde das Transzendentale im Neuen Testament mit dem Kosmischen (Nachtrag 2) verbunden. Diese Kombination kann zwar der Gestaltene Gestalter projizieren, jedoch eine Rücknahme, um seine Existenz (Selbstbeheimatung) zu erweitern, wurde ausgesperrt.
    (KS: 6; IE: 6, Spannungsbogen Null; ID: c.)

    Der Gestaltene Gestalter kann diese Projektion verneinen, indem er sie schlicht ablehnt, oder sich aus diesem religiösen Kontext insgesamt herausnimmt, um sich z.B. einer säkularen Einstellung zuzuwenden.

    Hier fehlen sowohl eine Translation als auch folgerichtig eine Identität.

    Jedoch wird hier die Grenze der Projektion deutlich.

  1. Zu dem Gottesentwurf, den wir im Koran finden:Die Wortgottessammlungen im Koran gehen in die Zeit der christlich – theologischen Arbeit der ersten Jahrhunderte zurück. In ihnen wird ein Absolutheitsanspruch mit göttlicher Fülle einerseits in positiver Darstellung (z.B. Schöpfer, Barmherziger, Gnädiger) andererseits in negativer Weise (z.B. Rächer, Auftraggeber seiner Anhänger bezüglich der Todesdrohungen, mit der Vernichtung Andersgläubiger) erhoben und beansprucht. Hier wird ein Machtanspruch des vorgestellten Gottes auf seine Gläubigen übertragen (KS: 1 auch 5 = 6:2=3; IE: 1 bis 5, Spannungsbogen 5 = hoher Sprengbereich; ID: b mit Tendenzen zu a bzw. c).
    (Bezüglich einer präziseren Analyse siehe Text DER KORAN   – ANOBISCH GEFASST)


    In dieser Identiät koranischer Gottesentwurf gleich Gläubiger befindet sich der Gestaltene Gestalter im Operationsfeld Allah; in ihm zeigt sich eine zweideutige Humanität.

Nachtrag

  1. Den in verschiedenen Fächern benützte Terminus setze ich hier für die Religionskritik ein.
  2. Z.B. Sturmstillung, Seebegehung, begleitende Ereignisse vor und nach dem Sterbeakt Jesu (Finsternis, Vorhang im Tempel, Öffnung der Gräber, Erbeben).